quick-actions.opening-hours.title
Suche

Raketenantriebe: Treibstoffe, das Vakuum & die CO₂-Frage - Teil 2
Von erstem, chinesischem Feuerwerk bis zur Ariane 6: Wir erklären, wie Feststoffraketen im Vergleich funktionieren, was Wasserdampf mit dem Mars zu tun hat - und warum man annahm, dass sich Raketen im All gar nicht fortbewegen können.
Im ersten Teil dieser Serie haben wir die CO₂-Emissionen untersucht, die durch das Verbrennen von Raketentreibstoffen entstehen. Inzwischen hat uns eine Leserfrage erreicht, die sich nach den CO₂-Emissionen erkundigt, die bereits bei der Herstellung der erwähnten Treibstoffe anfallen.
Die genaue Berechnung ist komplex – und würde den Umfang dieses Artikels übersteigen. Wir möchten aber dennoch kurz die Herkunft der im ersten Teil diskutierten Reaktanten skizzieren:
Kerosin ist in dieser Tabelle der einzige Treibstoff, bei dem eine direkte CO₂-Quelle offensichtlich ist. Bei allen anderen Treibstoffen ist davon auszugehen, dass der Transport und die Lagerung (Kühlung) mehr CO₂ verursachen als die eigentliche Herstellung oder Gewinnung.
In diese Gleichung sollten auch die CO₂-Emissionen einbezogen werden, die während des Zusammenbaus einer Rakete entstehen – das soll aber an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden.
Das Treibhausgas «Wasserdampf»
Stattdessen möchten wir die Gelegenheit nutzen, um darauf hinzuweisen, dass wir uns im ersten Teil gezielt auf die CO₂-Emissionen konzentriert haben. Selbstverständlich ist CO₂ jedoch nicht das einzige Treibhausgas. Auch Methan ist eines, ebenso wie der harmlos scheinende Wasserdampf, der übrigens etwa die Hälfte des gesamten Treibhauseffekts unseres Planeten verursacht.
Das ist auch gut so, denn gänzlich ohne Treibhausgase in unserer Atmosphäre wäre es auf der Erdoberfläche etwa 33°C kälter. In Bern, mit seinem Jahresdurchschnitt von 7.8°C, wären das dann durchschnittlich (minus!) -25.2°C, und wir hätten auch im «Sommer» winterliche Temperaturen.
Der natürliche Treibhauseffekt hilft uns also – aber er zeigt auch, wie empfindlich die Temperaturbalance unseres Planeten ist. Mit seiner Hilfe lässt sich auch erklären, warum der Mars, obwohl offiziell noch in der habitablen Zone unseres Sonnensystems gelegen (siehe Abbildung 2) – also jener Entfernung zur Sonne, in der flüssiges Wasser auf einem Planeten möglich sein sollte – faktisch dennoch eisige Durchschnittstemperaturen von ca. –60 °C aufweist.
2. Die Habitablen Zonen des Sonnen- bzw. des Trappist-1 Stern-Systems. Die Effekte von Treibhausgasen sind bei deren Bestimmung berücksichtigt.
Von Feuerwerksraketen zu SLS und der Ariane 6
Während es für den Mars also – aus besiedlungstechnischer Sicht – von Vorteil wäre, einen stärkeren Treibhauseffekt zu besitzen, müssen wir Erdlinge hart daran arbeiten, unseren nicht weiter zu verstärken. Doch genau so, wie sich die Atmosphäre der Gesteinsplaneten voneinander unterscheiden, brauchen auch unterschiedliche Raumfahrtmissionen unterschiedliche Treibstoffe.
Im ersten Teil haben wir uns fast ausschliesslich mit flüssigen Treibstoffen befasst. Dabei waren feste Raketen-Treibstoffe in China in Form von Feuerwerksraketen schon hunderte von Jahren vor dem ersten Flüssigtreibstoff in Gebrauch. Ihre modernen Varianten kommen auch heute noch vor allem bei Raketen zum Einsatz, die besonders viel oder schwere Fracht in den Weltraum transportieren müssen – etwa beim SLS (Space Launch System) der NASA oder den Ariane 5 und 6 der ESA (siehe Abbildung 3).
3. Ein Feststoff-Booster der Ariane 5 (l), generalisiertes Modell einer Feststoffrakete (m), in Segmente aufgeteilter Feststoff-Booster des SLS (r).
«Feste» Raketentreibstoffe vs. Flüssigtreibstoffe
Die Funktionsweise ist immer dieselbe: In der Brennkammer wird ein Gemisch aus Oxidationsmittel und Brennstoff gelagert, welches bei Raumtemperatur stabil bleibt und nicht reagiert. Erst wenn mit Hilfe eines externen (An-)Zünders genügend Hitze zugeführt wird, entzündet sich der Treibstoff (Oxidationsmittel + Brennstoff = Treibstoff). Dabei entsteht eine «Flammenfront», die sich langsam durch die Brennkammer nach oben «frisst».
Dieser Prozess lässt sich nicht mehr aufhalten, es sei denn man zerstört die Verkleidung der Brennkammer. Einmal aktiviert muss eine Feststoff-Rakete also zwangsläufig abheben. Im Gegensatz dazu lässt sich der Verbrennungsprozess bei einer mit flüssigem Treibstoff angetriebenen Rakete jederzeit durch das Schliessen von Ventilen unterbrechen.
Das 3. Newtonsche Gesetz und Reibung
Im Weltraum können sich Raketen – unabhängig davon, ob sie mit festem oder flüssigem Treibstoff betrieben sind – dank eines physikalischen Prinzips fortbewegen: dem 3. Newtonschen Gesetz («actio gleich reactio»).
Hier unten auf der Erde sind wir daran gewöhnt, dass Fahrzeuge wie Autos oder Loks dank der Reibung, die sie über ihre Räder auf die Strasse oder die Schienen ausüben, vorwärtskommen. Sie stossen sich sozusagen von der Strasse bzw. den Schienen ab.
Da es in der Leere des Weltarums aber keine Materie gibt, an der sich ein Raketenantrieb abstossen könnte, wurde dessen Funktionsfähigkeit 1920 zuerst grundsätzlich angezweifelt, und zwar durch «The New York Times» höchstpersönlich.
Das 3. Newtonsche Gesetz in der Leere des Weltalls!
Die Teilchen, aus welchen das heisse Abgas (wir erinnern uns: Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid, Stickstoff) von Raketenantrieben besteht, benötigen aber gar nichts ausserhalb des Triebwerks, um sich abzustossen. Die Wand der Brennkammer der Rakete übt eine Kraft auf das sich ausdehnende, aus beschleunigten Teilchen bestehende Gas, aus.
Die Reaktionskraft des Gases auf die Wand treibt die Rakete dann nach vorne, oder in eine andere gewünschte Richtung (siehe auch Abbildung 5). Die Rakete stösst sich also sozusagen an sich selbst ab!
Aufgrund dessen funktionieren Raketentriebwerke in Atmosphären tatsächlich schlechter, da die Abgas-Teilchen in dieser Umgebung Arbeit verrichten müssen, um die Brennkammer überhaupt verlassen zu können.
Die in Abbildung 5 dargestellte Brennkammer ist im Übrigen rein zur Verbesserung des Verständnisses rund dargestellt. In der Realität sehen die Brennkammern von Raketentriebwerken eher wie in Abbildung 6 aus.
6. Vereinfachte Darstellung des Vulcain Triebwerks (Ariane 5). Der LH₂ wird vor der Oxidationsreaktion durch die Düse geleitet und kühlt diese.
Ob Feststoff oder Flüssigtreibstoff, ob Mars oder Erde – Raketen sind eindrucksvolle Zeugnisse menschlicher Ingenieurskunst.
Doch gerade, weil sie uns über die Atmosphäre hinaus katapultieren und zuverlässig durch das Vakuum bewegen, sollten wir nicht vergessen, was ihre Reise in Gang setzt – und was sie auf unserem Heimatplaneten hinterlässt.
Bilder
-
Übersichtstabelle zu Feststofftreibstoffen.
-
Eigenübersetzung von ESA, "Comparing habitable zones of Sol and TRAPPIST-1," 22.03.2022. (esa.int/Science_Exploration/Space_Science/Plato/Planets_in_the_habitable_zone)
-
Eigenübersetzung von ESA, "Ariane launcher booster," 18.02.2022 (esa.int/ESA_Multimedia/Images/2001/06/Ariane_launcher_booster), Fesstoffraketen Modell aus N. Hall, 2023, und National Aeronautics and Space Administration, "Space Launch System Solid Rocket Booster," 02.04.2021 (nasa.gov/reference/space-launch-system-solid-rocket-booster).
-
Eigenübersetzung von J. Amos, "Ariane 6 project 'in good shape'," 07.04.2016. (bbc.com/news/science-environment-35983735)
-
Eigenübersetzung von R.A. Serway, C. Vuille und J. Hughes, 2016.
-
Eigenübersetzung "Operating principle of the Vulcain 2 engine" aus A. Ruiz, "Unsteady Numerical Simulations of Transcritical Turbulent Combustion in Liquid Rocket Engines," 02.2012. (researchgate.net/figure/Operating-principle-of-the-Vulcain-2-engine-Snecma-2011-fig3_281598880)
Quellen
-
Climate Data, "Klima Bern (Schweiz) - Daten und Graphen zum Klima und Wetter in Bern," climate-data.org, 2025. (de.climate-data.org/europa/schweiz/bern/bern-55)
-
D. Dobrijevic, E. Howell und T. Sharp, "Mars' atmosphere: Facts about composition and climate," space.com, 17.09.2023. (space.com/16903-mars-atmosphere-climate-weather.html)
-
ESA, "Green Propellant for Space Propulsion," ESA - Applications, 19.06.2001. (esa.int/Applications/Observing_the_Earth/Green_Propellant_for_Space_Propulsion)
-
N. Hall, "Model Solid Rocket Engine," 20.11.2023. (www1.grc.nasa.gov/beginners-guide-to-aeronautics/model-solid-rocket-enginge)
-
N.S.E. Team, "Steamy Relationships: How Atmospheric Water Vapor Amplifies Earth's Greenhouse Effect," NASA, 08.02.2022. (science.nasa.gov/earth/climate-change/steamy-relationships-how-atmospheric-water-vapor-amplifies-earths-greenhouse-effect)
-
R.A. Serway, C. Vuille und J. Hughes, "6.5 Rocket Propulsion," in College Physics, Boston: Cengage Learning, 2016, pp. 178-189.
-
R. Ballard, "Liquid Propulsion Systems - Evolution and Advancements," 15.07.2013. (ntrs.nasa.gov/citations/20140002716)
Themenbereiche: