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Raketenantriebe: Treibstoffe, das Vakuum & die CO₂-Frage - Teil 1

Wie gross ist der CO₂-Fussabdruck der Raumfahrt? Diese berechtigte Frage stellte kürzlich ein Besucher im Space Eye. Ein Blick auf Treibstoffe, Reaktionsgleichungen und Emissionen zeigt, warum die Antwort differenzierter ausfällt, als es scheint.

«Weltraumforschung & Raumfahrt sind ja schön und gut, aber verursacht das nicht auch wahnsinnig viel CO₂?»

Diese Frage stellte kürzlich ein besorgter Besucher während einer Ausstellungsführung im Space Eye. Seine Überlegung war nachvollziehbar: Grössere und schnellere Fahrzeuge erzeugen oft auch mehr Emissionen – warum sollte das bei Raketen anders sein?

Als Bewunderin der Saturn-V-Rakete könnte man in Versuchung geraten, spontan mit einem bestimmten «Nein» zu antworten und anzufügen: «Das einzige Abfallprodukt, das bei Raketen hinten rauskommt, ist Wasserdampf.»

Doch wie so oft, ist die korrekte Antwort nicht ganz so einfach.

Stöchiometrie, oder «Wie stellt man schon wieder eine Reaktionsgleichung auf?»

Bei genauer Recherche stellt sich nämlich heraus, dass selbst die berühmte Saturn V, die Mondrakete der Apollo-Ära nicht ausschliesslich mit LH2 und LOX betrieben wurde.

Mit «LH2» und «LOX» ist hierbei nichts anderes gemeint als flüssiger (engl. «liquid») Wasserstoff und flüssiger Sauerstoff (engl. «oxygen»).

Wenn man beides miteinander reagieren lässt, kommt es zu der gewaltigen, aber kontrollierten Verbrennungsreaktion, die wir von Raketentriebwerken kennen.

Oder etwas übersichtlicher in Form der Reaktionsgleichung dargestellt:

1. Modell der Saturn V mit den verschiedenen Stufen und wer sie baute.

Wasserstoff + Sauerstoff  Wasserdampf
2 H2(l) + O2(l) 2 H2O(g) + Energie

Einziges Abfallprodukt ist also Wasserdampf. So oder so ähnlich stellt man sich einen wirklich umweltfreundlichen Antrieb vor. Leider verwendete aber die Saturn V nicht bei all ihren Stufen LH2 und LOX als Treibstoff.

Die kontrollierte Verbrennung von Kerosin

Die erste, oder unterste Stufe (siehe Abbildung 1) wurde durch die Reaktion von LOX mit Kerosin angetrieben. Dies liegt daran, dass die Reaktion von LOX/LH2 zwar den grösseren Impuls generiert, aber LH2 im Vergleich zu Kerosin ein grösseres Tankvolumen erfordert, da flüssiger Wasserstoff eine geringere Dichte hat als Kerosin.

Mit anderen Worten lassen sich in den gleichen Tank weniger Moleküle H2 quetschen als vom Kerosin-Gemisch. Damit stehen für den Umsatz während der chemischen Reaktion auch weniger Moleküle zur Verfügung. Man wollte also die unterste, naturgemäss grösste Stufe der Rakete auf eine vernünftige Grösse reduzieren, aber trotzdem noch ausreichend Schub erzielen.

2. Der bei Raumtemperatur farb- und geruchslose Sauerstoff nimmt im flüssigen Zustand eine wunderschöne blaue Farbe an.

Kerosin ist übrigens kein Reinstoff. Vielmehr handelt es sich um eine Mischung aus verschiedenen Kohlenwasserstoff-Molekülen, die zwischen zehn und sechzehn Kohlenstoff-Atome aufweisen.

Diese Moleküle besitzen alle einen ähnlichen Siedepunkt (zwischen 150 – 250 °C) und werden daher auf gleicher Höhe am Destillationsturm «abgezapft» (siehe Abbildung 3).

Damit lautet unsere Reaktionsgleichung (mit Dodecan stellvertretend für das Kerosin-Gemisch) bei der nun auch Kohlenstoffdioxid als Abfallprodukt frei wird:

3. Fraktionierende Destillation von Rohöl im Destillationsturm. Leichte Bestandteile sammeln sich oben, schwere unten.

Dodecan + Sauerstoff Kohlenstoffdioxid + Wasserdampf
2 C12H26 (l) + 37 O2 (l) 24 CO2 (g) + 26 H2O (g) + Energie

Die kontrollierte Verbrennung anderer Kohlenwasserstoffe

Tatsächlich werden auch heute noch Raketen mit Kerosin als Treibstoff eingesetzt. Zu den für die bemannte Raumfahrt zugelassenen Modellen (engl. «Crew-rated») zählen beispielsweise die Falcon 9 von SpaceX und die Soyuz-2.1a von Roskosmos (siehe auch Abbildung 4).

4. Für die bemannte Raumfahrt zugelassene Raketen, einige Vergleichsraketen und ihre Treibstoffe.

Auch das in Planung befindliche «Starship» verursacht beim Start CO2 Emissionen. Als Treibstoff wird eine Kombination von flüssigem Methan und LOX verwendet. Das Methan-Molekül besitzt zwar nur ein einzelnes Kohlenstoff-Atom, doch auch dieses wird während des Vebrennungsprozesses zu Kohlenstoffdioxid umgesetzt:

Methan + Sauerstoff Kohlenstoffdioxid + Wasserdampf
CH4 (l) + 2 O2 (l) CO2 (g) + 2 H2O (g) + Energie

Gleiches gilt beim Umsatz von UDMH (Unsymmetrisches Dimethylhydrazin) mit Distickstofftetroxid in den chinesischen «Langer Marsch 2F» Raketen:

UDMH + Distickstofftetroxid Stickstoff + Kohlenstoffdioxid + Wasserdampf
C2H8N2 (l) + 2 N2O4 (l) 3 N2 (g) + 2 CO2 (g) + 4 H2O (g) + Energie

Die Emissionen der Raumfahrt liegen bei 0.01% der globalen Luftfahrt-Emissionen

Allzu leicht könnte man sich nun vielleicht dazu verleiten lassen, die verschiedenen Systeme gegenüberzustellen und «das Beste», mit der geringsten netto CO2-Produktion zu identifizieren. Doch ganz gleich, welches System in dieser Hinsicht am besten abschneidet – der Fakt, dass sie überhaupt CO₂ produzieren, bleibt ein Problem.

Stattdessen möchten wir hier zum Abschluss das Bild vervollständigen, indem wir aufzeigen, wie viele Prozent der globalen Luftfahrt-Emissionen direkt durch die Raumfahrt verursacht werden: Stand 2022 waren es 0.01%, Tendenz steigend, da die Raumtransportbranche auch weiterhin wächst.

Dennoch sind wir weiterhin auf Raketenstarts angewiesen, um Satelliten in Erdorbits zu platzieren.

Ohne diese und die durch sie erhobenen Daten stünden uns z.B. 60 Prozent der essenziellen Klimaparameter, welche zur Erstellung von Klimamodellen benötigt, werden überhaupt nicht zur Verfügung.

5. Der europäische Wettersatellit MTG (Meteosat Third Generation) sammelt auch für die Klimaforschung Daten.

Der aufmerksame Besucher behält teilweise recht

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Raketenstarts trotz ihrer besonders augenscheinlichen CO₂-Emissionen unverzichtbar für die moderne Raumfahrt und Klimaforschung sind. Während die Raumfahrt aktuell nur einen Bruchteil der globalen Emissionen verursacht, ist ihr Beitrag zur Beobachtung des Planeten für Klimamodelle und Umweltdaten entscheidend.

Unser sehr aufmerksamer Besucher hatte also teilweise recht: Auch die Raumfahrt hat Auswirkungen auf das Klima, doch nicht jede Rakete verursacht beim Start gleich viele Emissionen.

Doch ganz abgeschlossen ist damit das Thema «Raketenantriebe» noch nicht – denn wie genau funktioniert ein Raketentriebwerk im Vakuum des Weltalls, wo es scheinbar nichts gibt, an dem sich eine Rakete abstossen könnte? Und warum setzen manche Raketen auf flüssige und andere auf feste Treibstoffe? Diese und weitere Fragen beantworten wir im zweiten Teil dieser Serie.

 

6. Die Ariane 6 Rakete beim Start am 06. März 2025.

Bilder
 

  1. Grafik mit Modell der Saturn V Rakete. Eigenproduktion mit Übersetzung nach Apollo11Space, "How Many Stages Did Saturn V Have?," 05.09.2020. (i1.wp.com/apollo11space.com/wp-content/uploads/2020/09/Untitled-design-2020-09-05T075536.505.jpg)
  2. Flüssiger Sauerstoff. N. Glover, "455th AEW Photos - Cryogenics shop brings cool breeze to AOR," 10.10.2010. (afcent.af.mil/Units/455th-Air-Expeditionary-Wing/Photos/igphoto/2000316697)
  3. Grafik über Fraktionierende Destillation von Rohöl. Aus M. Stieger, 2020.
  4. Übersichtstabelle zu Raketen und ihre Treibstoffe. Eigenproduktion mit Informationen aus E. Reichl und D. Döttler, 2020, Historisch-Technisches Museum Peenemünde GmbH, 2017 und M. Kiseleva, 2021.
  5. Europäischer Wettersatellit MTG. EUMETSAt, "Meteosat Second Generation," 2025. (eumetsat.int/meteosat-second-generation)
  6. Ariane 6 Rakete beim Start. The European Space Agency, "Ariane 6 VA263 Liftoff," ESA, 06.03.2025. (esa.int/ESA_Multimedia/Images/2025/03/Ariane_6_VA263_liftoff)

Quellen
 

  • E. Reichl und D. Röttler, Raketen - Die Internationale Enzyklopädie, Stuttgart: Motorbuch Verlag, 2020.
  • Historisch-Technisches Museum Peenemünde GmbH, "Antrieb der Rakete Aggregat 4 ("V 2")," Peenemünde GmbH, 2017. (museum-peenemuende.ch/zeitreise/raketenantrieb)
  • J. Laukenmann, "Ein Starship-Start verursacht dreimal so viele Emissionen wie ein Transatlantikflug," Tagesanzeiger, 18.11.2023.
  • M. Kiseleva, "Soyuz MS-19 | Soyuz 2.1a," Everyday Astronaut, 05.10.2021. (everydayastronaut.com/soyuz-ms-19-soyuz-2-1a-2)
  • M. Stieger, Elemente - Grundlagen der Chemie für Schweizer Maturitätsschulen, Baar: Klett und Balmer, 2020.
  • R. Ballard, "Liquid Propulsion Systems - Evolution and Advancements," 15.07.2013. (ntrs.nasa.gov/citations/20140002716)
  • The Editors of Enzyclopaedia Britannica, "kerosene," Enzyclopaedia Britannica, 01.02.2025. (britannica.com/science/kerosene)

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