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Trouble-Shooting bei der NASA - Ertrinken im Weltraum (Teil 2)

Im ersten Teil unserer Serie «Ertrinken im Weltraum» haben wir von Luca Parmitanos dramatischem Erlebnis gehört - einer Beinahe-Katastrophe, die nur durch eine glückliche Fügung und rasche Reaktion abgewendet werden konnte. Doch was genau war die Ursache für diesen lebensbedrohlichen Zwischenfall? In diesem zweiten Teil tauchen wir tiefer ein und richten unseren Fokus auf die technischen Details und die intensive Fehlersuche, die folgte. Wie konnte es zu einem derart gravierenden Defekt kommen?

Nach dem Zwischenfall, während der Extravehicular Activity #23 (EVA 23), wurden zunächst alle weiteren Weltraumspaziergänge mit EMUs (noch immer nicht das Tier!) ausgesetzt. Dies war jedoch nur möglich, da auf der ISS alle wichtigen Systeme redundant ausgelegt sind - das heisst, sie sind doppelt vorhanden.

Kommt es zu einem Ausfall, wird einfach das Ersatzsystem eingesetzt, während man möglichst schnell den Defekt am Originalsystem zu beheben versucht. So standen nach den Ereignissen des 16. Julis 2013 zwar amerikanische EMUs nicht mehr zur Verfügung, dank der russischen Orlan-Raumanzüge war es aber jederzeit dennoch möglich, einen Aussenbordeinsatz durchzuführen.

1. Ein russischer Orlan-Anzug (links) und amerikanischer EMU (rechts) an Bord der ISS, 2008.

Bis Dezember 2013 hatte man noch keine dauerhaufte Lösung für das Problem gefunden. Zu diesem Zeitpunkt fiel aber ein Pump-Modul des Kühlsystems der ISS auf der amerikanischen Seite aus. Man sah sich daher gezwungen trotz des noch immer nicht behobenen EMU-Problems das Risiko eines EVAs in Kauf zu nehmen.

Allerdings erst nach einem Upgrade der EMUs mit sogenannten «low-tech countermeasures», also mit Hilfe einer Bastelei. Dazu fixierte man mit Klettverschluss ein Plastikrohr in den Anzug, das vom Helm bis in den Brustbereich, den sogenannten «Hard Upper Torso» (siehe Abbildung 2) reichte. Im Fall eines weiteren Lecks hätten die Astronaut*innen dann über den Schnorchel Luft aus diesem tiefer gelegenen Bereich des Anzugs ansaugen können.

2. Alle Bestandteile eines EMUs.

3. Ein Querschnitt des FPS-Systems.

Zu diesem Zeitpunkt wusste man bereits, dass weder das «Liquid Cooling and Ventilation Garment» (LCVG), der Wassertank noch das Schlauchsystem des Hard Upper Torso die Quelle des Lecks waren. Es hatte sich herausgestellt, dass das Problem vom fan/pump/separator (FPS) System verursacht wurde (siehe Abbildung 3).

Am 11. November 2013 hatte man es bereits aus dem Rucksack von EMU 3011 (Luca Parmitanos Anzug während EVA 23) ausgebaut und für weitere Abklärungen auf die Erde zurückgeschickt.

Zurück auf der Erde wurde das FPS geröntgt und einer Computertomografie unterzogen. Dabei fand man kleine Silikat-Kügelchen, die den Wasser-Separator verstopften. Der Wasser-Separator trennt durch Zentrifugation die Feuchtigkeit aus der Luft, die im Raumanzug zirkuliert.

Das so gewonnene Wasser wird zurück in den LCVG-Anzug geleitet (siehe Abbildung 4). Astronaut*innen werden also im Endeffekt mit dem Wasser aus ihrem eigenen Schweiss und der Feuchtigkeit aus der Atemluft gekühlt oder gewärmt (siehe Abbildung 5).

4. Der LCVG-Anzug, nachdem ihn eine Person angezogen hat. Fast 100 Meter Wasser-Röhrchen sind in den Anzug eingearbeitet und kühlen oder wärmen die Astronaut*innen.

5. Vereinfachte Darstellung des FPS. Die Verbindung des Systems mit den verschiedenen Teilen des Anzugs wird aufgezeigt.

Im Fall von EMU 3011 konnte das Wasser aber nicht weiterfliessen und wich stattdessen in den benachbarten Ventilator aus, gelangte so in den O2-Kreislauf und begann somit den Helm zu füllen.

Im weiteren Verlauf der Untersuchungen stellte sich heraus, dass das Problem längerfristig wohl bei allen EMUs an Bord der ISS aufgetreten wäre. Es wurde nämlich entdeckt, dass die eigentliche Ursache nicht ein Defekt des Anzugs war, sondern verseuchtes Kühlwasser.

Das komplette, in einem EMU verwendete Wasser wird von der Erde mitgeführt und erst vor Ort, auf der ISS, abgefüllt. Vor dem Start zur ISS wird das Wasser am Johnson Space Center (Houston, Texas) entionisiert. Der Prozess stellte sich aber als fehlerhaft heraus, das Wasser hatte teilweise die «Qualität von Hahnenwasser», wurde also inklusive Kontamination auf die ISS geliefert.

Obwohl die «Grundursache» am Boden eliminiert worden ist, nimmt man seitdem auf der ISS regelmässig Wasserproben und untersucht diese auf mögliche Verunreinigungen. Ausserdem hat man die gelernten Lektionen in die Entwicklung der neuen Artemis-Raumanzüge, die xEMUs (Exploration Extravehicular Mobility Unit), einfliessen lassen.

So sorgte man dafür, dass deren Gas- bzw. Wasserkreisläufe nicht mehr strukturell benachbart sind. Zudem ersetzte man den «Sublimator Wärmetauscher» komplett duch einen «Membran-Wasserverdampfer» (suit water membrane evaporator), welcher auch bei Kontamination weiter funktionierte.

Zu guter Letzt fügte man so viele redundante Systeme wie sinnvoll und möglich zum Lebenserhaltungssystem des xEMUs hinzu. Dies ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zum herkömmlichen EMU, der jedes kritische Bauteil nur einmal enthält.

Leider ist es aber nicht möglich nun die alten EMUs auf der ISS einfach durch xEMUs zu ersetzen. Die Bedingungen ausserhalb der ISS unterscheiden sich nämlich deutlich von denjenigen auf der Mondoberfläche. Jeder heutige Raumanzug-Typ funktioniert mit anderen Worten ausschliesslich in der Umgebung, für die er ursprünglich konzipiert wurde.

Unser Schweizer Astronaut, Marco Sieber, wird also wohl noch den, seit den 80er Jahren im Grunde gleich gebliebenen, EMU tragen müssen, wenn er frühstens ab 2026 zur ISS aufbricht. Zumindest geübt hat er schon einmal für einen Weltraumspaziergang dort oben (siehe Abbildung 6).

6. Marco Sieber (rechts) im Pool der Neutral Buoyancy Facility der NASA während seiner Grundausbildung, 2023.

Bilder
 

  1. NASA, "Expedition 17 with a Russian Orlan spacesuit (left) and and Extravehicular Mobility Unit," 31.07.2008. (esa.int/ESA_Multimedia/Images/2008/07/Expedition_17_with_a_Russian_Orlan_spacesuit_left_and_and_Extravehicular_Mobility_Unit)
  2. NASA, "The Extravehicular Mobility Unit (EMU)," 06.10.2019. (nasa.gov/image-article/extravehicular-mobility-unit-emu)
  3. Querschnitt des FPS-Systems aus J. Steele et al.
  4. M. Izenson, W. Chen, S. Phillips, et al., "45th International Conference on Environmental Systems," in Multifunctional Cooling Garment for Space Suit Environmental Control, Bellevue, 2015.
  5. Vereinfachte Darstellung des FPS, Eigenproduktion.
  6. European Space Agency, "Deep dive across the pond," 22.12.2023. (esa.int/ESA_Multimedia/Images/2023/23/Deep_dive_across_the_pond)

Quellen
 

  • C. Hansen, Interviewee, "Episode 120 - Artemis Spacesuits," Houston We Have a Podcast, 30.10.2019.
  • European Space Agency, "A year in training: ESA's new astronauts graduate," 02.05.2024. (esa.int/ESA_Multimedia/Videos/2024/A_year_in_training_ESA_s_new_astronauts_graduate)
  • European Space Agency, "Basic training." (esa.int/Science_Exploration/Human_and_Robotic_Exploration/Astronauts/Basic_training)
  • J. Stelle, C. Metselaar, B. Peyton, et al., "Failure Analysis Results and Corrective Actinos Implemented for the Extravehicular Mobility Unit 3011 Water in the Helmet Mishap," International Conference on Environmental Systems, no. 20, 2015, pp. 1-15.
  • K. Chang, "NASA Solves Helmet Leak with Makeshift Snorkles," The New York Times, 20.12.2013.
  • L. Padilla, Interviewee, "Episode 16: Spacesuits," Houston We Have a Podcast, 13.04.2017.

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