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Mit dem U-Boot im Weltraum
U-Boote und Raumschiffe scheinen auf den ersten Blick völlig unterschiedlich, doch eine spannende Kinderfrage zeigt, wie ähnlich sie sind – und warum U-Boote trotz all ihrer Parallelen nicht für den Einsatz im All geeignet wären.
Welches sind die besten Fragen, die man auf einer Führung im Space Eye als Guide gestellt bekommen kann? Natürlich Kinderfragen.
Und nein, das sind eben nicht die «kleinen» Fragen. Das sind meistens die Fragen, die wirklich tiefgründig sind, und zu deren Beantwortung man richtig tief in der Bibliothek graben muss, um die korrekte Antwort zu erhalten.
Eine solche Kinderfrage soll dieser Artikel beantworten. Die Frage lautet:
«Könnte man in einem U-Boot im Weltraum überleben?»
1. Das U-Boot «USS Maine». Anhand der Menschen auf dem Rumpf lässt sich gut erkennen, wie riesig es ist.
Tatsächlich ist die Ähnlichkeit zwischen U-Booten und Raumstationen oder Raumschiffen verblüffend. In beiden gibt es limitierten Platz und, wie es die NASA-Astronautin Kayla Barron ausdrückte:
«Man versucht in beiden Fällen [erfolgreich] Menschen in Umgebungen am Leben zu erhalten, wo sie eigentlich gar nicht existieren sollten. Dabei spielt es keine Rolle, ob man sich dabei hunderte Fuss unter der Oberfläche des Ozeans befindet, oder hunderte Meilen über der Erdoberfläche.»
Aber gehen wir zunächst etwas genauer auf die technischen Details ein.
Die SLS (= Space Launch System) Rakete der NASA hat eine Gesamtlänge von 97.8 m. Das ist ungefähr gleich lang, wie ein englisches U-Boot der Astute Klasse mit 97 m. Die NASA-Rakete wiegt beim Start 2'660 Tonnen, während dieses U-Boot ein (Verdrängungs-)Gewicht von 7'400 Tonnen aufweist.
Beide, Raumschiff wie U-Boot, weisen einen kontrollierten Innendruck von 1 bar auf, dem Druck auf Meereshöhe. Der Aussendruck bzw. die maximale Tiefe, die U-Boote erreichen und aushalten können ist schwierig abzuschätzen bzw. in Erfahrung zu bringen, da diese Werte geheim gehalten werden.
In der Literatur werden aber 20 bar bei 200 Metern Tiefe als überprüfter Wert angegeben. Der Spitzenwert, der auf Raketen während des Flugs durch die Atmosphäre lastet (Max Q) beträgt schon mal 30 bis 40 kPa, was umgerechnet immerhin 0.3 - 0.4 bar entspricht. Was den auf ihnen lastenden Aussendruck anbelangt, sind U-Boote also klar «überlegen».
U-Boote sind zwar ähnlich eng wie Raumschiffe, haben jedoch eine wesentlich grössere Besatzung. In der Orion-Kapsel des SLS finden nämlich lediglich vier Personen Platz, während in Astute Klasse U-Booten 98 Personen Platz finden. Aber U-Boote sind ganz generell zu schwer, um in den Weltraum zu fliegen, grosse Crew hin oder her.
Stellen wir uns aber dennoch kurz vor, unser U-Boot hätte es bis in den Weltraum geschaftt. Dann wäre das nächste zu bewältigende Problem die enormen Temperatur-Differenzen im All.
Man müsste das U-Boot dringend weiss anstreichen. Die typisch schwarzen oder dunkelgrauen Tarnfarben wären in diesem Fall kontraproduktiv, da sie besonders viel Strahlung absorbieren und dadurch zu strukturell belastenden Temperaturdifferenzen zwischen Licht- und Schattenseite unseres U-Boots führen würden.
Wie bei Astronautenanzügen wäre Weiss in diesem Fall die geeigneteste Farbe.
Das nächste Problem wäre die Hitze-Entwicklung in unserem U-Boot, die durch die laufenden Motoren entsteht.
U-Boote werden zumindest einen Teil ihrer Abwärme durch Übertragung an das sie umgebende Wasser los. Bei einem fahrenden U-Boot ist diese Übertragung ausserdem effizienter, da hier ständig neue, kalte Wassermassen an den Rumpf herangeführt werden (siehe Abbildung 3 zur klassischen Wärmeübertragung).
Schon bei einem U-Boot im Stillstand steigt die Temperatur unangenehm an. Da der Weltraum praktisch leer ist (nicht ganz, siehe dazu unseren Blog-Post zum Thema Weltraum) kann dieser Wärme-Abtransport leider nicht genutzt werden.
Das fehlende Wasser ist auch für die interne Sauerstoffproduktion ein Problem. Normalerweise stellen U-Boote mit Hilfe der Elektrolyse - eines chemischen Spaltprozesses - Sauerstoff aus Meerwasser her. Bei einem Ausflug ins Weltall müsste also zusätzlich Sauerstoff mitgeführt werden.
Aber zurück zum Hitzeproblem.
Da die Schiffsschraube im Weltall sowieso nutzlos ist, stellen wir den Antriebsmotor aus und hoffen, dass die restlichen Systeme, z.B. die Feuchtigkeitskontrolle, oder die CO2-Entfernung nur gerade genügend Wärme produzieren, dass es für die Seeleute an Bord nicht zu kalt wird. Wobei, sind das nun nicht eher Astronaut*innen?
Naja, diese Fragestellung lässt sich umgehen. Die Crew muss ganz einfach aus Kayla Barron und Stephen Bowen bestehen. Beide waren vor ihrer Astronauten-Karriere Offiziere auf U-Booten.
Tatsächlich war es für Kayla kein Kindheitswunsch, Astronautin zu werden. Stattdessen war es für sie eine gute Gelegenheit, ihre U-Boot Erfahrungen in einem erweiterten Feld zum Einsatz bringen zu können. Wer weiss, vielleicht wird sie, wie es für Seefahrer typisch ist, dereinst zu neuen Gefilden aufbrechen und als erste Frau die Oberfläche des Mondes betreten.
Es zeigt sich also, dass ein Überleben in einem U-Boot im Weltraum für eine kurze Zeit denkbar wäre, zumindest theoretisch. Dennoch bleibt klar:
Für die extremen Bedingungen des Alls sind speziell entwickelte Raumkapseln die weitaus bessere Wahl.
Bilder
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A. Perez, "USS Maine Celebrates Birthday with Return to Service," Submarine Force Pacific CSP, 13.05.2020. (csp.navy.mil/Media/News-Admin/Article/2271031/uss-maine-celebrates-birthday-with-return-to-service)
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Illustration Vergleich U-Boote und Raketen, eigene Darstellung.
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Illustration Klassische Wärmeübertragung, eigene Darstellung.
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Astronaut Stephen Bowen, Bilder von K. Lange, 2024.
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J. Manfre, "MIGHTY 25: Naval officer Kayla Barron is serving us in the oceans and the stars," WE ARE THE MIGHTY, 28.10.2022. (wearethemighty.com/mighty25/kayla-barron); A. Spencer, "Astronaut Kalya Barron on NASA's missions to the moon and Mars: 'You can't prepare for the emotional experience of being in space," Cambridge Independent, 28.03.2023. (cambridgeindependent.co.uk/whats-on/astronaut-kayla-barron-you-can-t-prepare-for-the-emotional-9305830)
Quellen
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E. Reichl und D. Röttler, RAKETEN - DIE INTERNATIONALE ENZYKLOPÄDIE, Stuttgart: Motorbuch Verlag, 2020.
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ESA, "Orion: crew module," ESA, 11.11.2022. (esa.int/ESA_Multimedia/Images/2022/11/Orion_crew_capsule)
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K.J. Barron, Interviewee, "Season 1, Ep. 136; Be a NASA Astronaut," HOUSTON WE HAVE A PODCAST. 20.03.2020.
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K. Lange, "Sailor-Turned-Astronaut Compares Submarine, Space Station Life," U.S. Department of Defense, 09.01.2024. (defense.gov/News/Feature-Stories/Story/Article/369058/sailor-turned-astronaut-compares-submarine-space-station-life)
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Lyndon B. Johnson Space Center, "Kayla Barron - NASA Astronaut and U.S. Navy Lieutenant Commander," NASA, 07.08.2024. (nasa.gov/wp-content/uploads/2023/08/barron-kj-1.pdf)
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Q. Chen, Q. Lin, Y. Xuan und Y. Han, "Investigation on the thermohaline structure of the stratified wake generated by a propagating submarine," International Journal of Heat and Mass Transfer, no. 166, 2021.
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R. Kleindl, "So steigt man unter Wasser aus einem U-Boot aus," DER STANDARD, 21.06.2023. (derstandard.de/story/3000000175590/wie-man-unt)
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Royal Navy, "Astute Class," Crown, 2024. (royalnavy.mod.uk/equipment/submarine/astute-class)
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SAAB, "A submarine in space," Saab AB, 08.07.2020. (saab.com/newsroom/stories/2020/july/a-submarine-in-space)
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S. Bhutani, I. Khan, A. Nasser und C. Saxena, "Thermal stress inside a disabled submarine," Medical Journal Armed Forces India, vol. 3, no. 76, 2020, pp. 333-337.
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Space Center Houston, "Artemis astronaut feature: Kayla Barron," Space Center Houston, 20.05.2021. (spacecenter.org/artemis-astronaut-feature-kayla-barron)
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The Telegraph, "HMS Astute: Royal Navy submarine's vital statistics," The Telegraph, 11.04.2011. (telegraph.co.uk/news/uknews/defence/8438499/HMS-Astute-Royal-Navy-submarine-vital-statistics.html)
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