quick-actions.opening-hours.title

Meteoriten: Fenster in die Entstehungsgeschichte des Sonnensystems

Nach unserem aufschlussreichen Interview mit Beda Hofmann, dem Experten für Meteoriten am NMBE, erreichten uns mehrere Anfragen zu vermeintlichen Meteoritenfunden. Daher haben wir uns entschlossen, das Thema mit einem weiteren Blog-Post zu vertiefen. Dieser Text enthüllt ausserdem, wie Meteoriten uns helfen, die Entwicklungsgeschichte unseres Sonnensystems und damit auch die Entstehung von Leben auf der Erde zu verstehen.

Meteoriten sind nicht immer magnetisch und sehen auch nicht aus wie Schlacken. Die äusseren Schichten von Meteoriten schmelzen beim Eintauchen in die Erdatmosphäre (siehe Interview mit Beda Hofmann). Dennoch sind Meteoriten nicht zwingend «schwarz» oder «angebrandt».

Zwar gibt es z.B. sogenannte «kohlige Chondrite», diese bestehen aber zu grossen Teilen aus Kohlenstoff und waren schon vor dem Eintritt in die Erdatmosphäre schwarz (siehe Abbildung 1). Und ein Blick in die grosse Meteoriten-Vitrine des Naturhistorischen Museums Bern zeigt: «Den Meteoriten» gibt es nicht.

1. Ein Stück des Murchison Meteorits, einem typischen kohligen Chondrit.

2. Ein Schaukasten mit unterschiedlichen Arten von Meteoriten im NMBE.

Wie in anderen naturwissenschaftlichen Forschungsgebieten, unterschied man Meteoriten ursprünglich rein visuell. Heute schneidet man sie dagegen meist auf und fertigt hauchdünne Scheibchen an, die man anschliessend mit Hilfe eines Mikroskops im polarisierten Licht betrachten kann. Beim Durchtritt des Lichts durch verschiedene Mineralien verändert sich dessen Farbe und Farbintensität, wodurch einige Bestandteile des Meteoriten überhaupt erst identifizierbar werden (siehe Abbildung 3a-c).

3a. Dünnschliff des Murchison Meteorits in planpolarisiertem Reflexionslicht.

3b. Dünnschliff des Murchison Meteorits in planpolarisiertem Durchlicht.

3c. Dünnschliff des Murchison Meteorits in kreuzpolarisiertem Reflexionslicht.

Häufig werden Proben von Meteoriten sogar pulverisiert, damit man sie mit Hilfe eines Massenspektrometers analysieren kann. Nicht-invasive Methoden werden dagegen (noch?) eher selten angewendet.

Beispielsweise sah man bei der Meteoriten-Pfeilspitze von Möhrigen davon ab, sie aufzuschneiden, da sie als Kultobjekt viel zu wertvoll ist. Obwohl es dank heutiger Technologie möglich ist, Meteoriten sehr viel genauer zu analysieren, fusst ihre Kategorisierung nach wie vor auf der historisch gewachsenen Einteilung (siehe Abbildung 4).

4. Klassifizierung der Meteoriten.

Diese unterteilt Meteoriten grundsätzlich in Chondrite und Achondrite, wobei Chondrite die grössere Masse ausmachen (siehe Abbildung 5). Wie der Name bereits andeutet, enthalten Chondrite sogenannte Chondren - aufgeschmolzene Silikat-Kügelchen. Die Chondren sind in eine Matrix aus fein gemahlenem Mineral- und Metallstaub eingebettet (siehe Abbildung 7a).

Aufgrund ihres Aufbaus geht man heute davon aus, dass Chondrite zum ältesten Material im Sonnensystem zählen und vielleicht aus der Zeit kurz vor der Entstehung der Sonne - also aus der sogenannten Präsolaren Wolke - stammen.

5. Prozentuale Aufteilung von Chondriten und Achondriten, welche die Erde erreichen.

6. Entstehung unseres Sonnensystems aus einer diffusen molekularen Gaswolke vor rund 4.6 Milliarden Jahren.

Damals verdichtete sich die aus einer Molekülwolke entstandene Staubscheibe immer weiter (siehe Abbildung 6). Auch das Urmaterial der Chondrite, die aufgeschmolzenen Chondren und der Staub, verklumpten sich vermutlich zu dieser Zeit. Als Ganzes aufgeschmolzen wurden sie aber nie - ganz im Gegenteil zu den auf der Erde deutlich selteneren Achondriten.

Diese sind sehr divers, zeigen aber alle das gleiche Muster, wenn man sie aufschneidet: Eine einheitliche Farbe und Struktur, die sich (von Auge) nicht in unterschiedliche Bestandteile zerlegen lässt. Beim in Abbildung 7b gezeigten Achondrit handelt es sich um Marsgestein.

7a. Querschnitt eines Chondrits. Die in die Matrix eingebetteten Chondren sind sehr gut zu erkennen.

7b. Querschnitt eines Achondrits. Von Auge sind keine mineralogischen Bestandteile zu erkennen.

Achondrite stammen aber auch vom Mond und hauptsächlich von Asteroiden. Zum Teil ist sogar bekannt von welchem Asteroiden. Howardite, Eukrite und Diogenite beispielsweise stammen vom Asteroiden Vesta, die insgesamt 9% der Masse des Asteroidengürtels auf sich vereint (siehe auch Abbildung 8).

Auch die «klassischen» Eisenmeteoriten zählen zu den Achondriten. Früher unterteilte man diese anhand der bei einem polierten Schnitt sichtbar werdenden Muster in Hexahedrite, Octahedrite und Ataxite.

8. Asteroid Vesta mit (v.l.n.r.) Howardit, Diogenit, Eucrit.

9. Der Grosse Meteorit der Archenhold-Sternwarte Berlin. Gefunden 1891 im Barringer-Krater (USA).

Inzwischen wird aber der Gehalt an anderen Elementen, wie Nickel, Kobalt, Germanium, Gallium, Iridium, Gold und Wolfram gemessen, um den genauen Typus zu bestimmen.

Insgesamt stammen aber wohl die meisten Eisenmeteoriten aus Kernen von Asteroiden, die gross genug waren, dass die schwereren Elemente, also Metalle, nach innen sanken und dort einen Kern bildeten, während die leichteren Elemente auf der Oberfläche zurückblieben.

10. Der Eisenmeteorit vom Twannberg mit spiegelglatter Schnittfläche - ein typischer Hexahedrit.

11. Ein Eisenmeteorit mit Widmannstätten-Struktur. Diese wird erst nach chemischer Behandlung der Oberfläche gut sichtbar.

In der Übergangsregion zwischen Kruste und Kern - dem Mantel dieser Asteroiden - bildeten sich höchstwahrscheinlich die sogenannten Pallasiten. Diese wunderschönen, aus Metall und dem Mineral Olivin zusammengesetzten Meteoriten repräsentieren den Übergang zwischen den Stein- und den Eisen-Meteoriten sehr gut. Auch zwischen Chondriten und Achondriten gibt es einen fliessenden Übergang.

12. Entstehungsorte der verschiedenen "asteroidischen" Meteoriten.

13. Ein Pallasit, der von hinten beleuchtet wird. Die gelblichen Olivin-Einschlüsse sind sehr gut zu erkennen.

Für jeden Schritt in der Entwicklung des Sonnensystems gibt es mit anderen Worten Material, das uns Informationen liefert.

Chondrite berichten uns von den frühen Anfängen des Sonnensystems, evtl. noch bevor die Sonne existierte. Primitive Achondrite zeigen uns die Übergangsphase von der dichteren molekularen Gaswolke zu ersten Planetesimalen, in einer sich langsam ordnenden protoplanetaren Scheibe (siehe Abbildung 6).

Die Achondrite mit ihren Stein- und Eisenmeteoriten schlussendlich sind Zeugen der zahllosen Kollisionen, die sich im ungezähmten, jungen Sonnensystem abgespielt haben müssen, bevor sich eine relative Ordnung etablieren konnte. Obwohl diese Ereignisse teils mehrere Milliarden Jahre zurückliegen, können wir ihnen dank Meteoriten noch immer auf die Spur kommen.

Bilder
 

  1. W. Steigerwald, "Key Building Block for Organic Molecules Discovered in Meteorites," NASA, 18.12.2020. (nasa.gov/solar-system/key-building-block-for-organic-molecules-discovered-in-meteorites)
  2. Fotografiert im NMBE, 12.06.2024
  3. M.M. Grady, G. Pratesi and V. Moggi Cecchi, Atlas of Meteorites, Cambridge: Cambridge University Press, 2014.
  4. Adapted from Atlas of Meteorites.
  5. Eigene Statistik nach G.R. Huss and H.Y. McSween Jr., Cosmochemistry, Cambridge: Cambridge University Press, 2021.
  6. Adapted from "How Did the Solar System Form?," NASA Science SpacePlace, 29.08.2022. (spaceplace.nasa.gov/solar-system-formation/en)
  7. a) Arizona State University, "Chondrites," Buseck Center for Meteorite Studies. (meteorites.asu.edu/chondrites); b) Arizona State University, "Achondrites," Buseck Center for Meteorite Studies. (meteorites.asu.edu/achondrites)
  8. NASA, "Vesta," NASA. (science.nasa.gov/solar-system/asteroids/4-vesta); S. Vasilev, "Kapoeta (Howardite)," Encyclopedia of Meteorites, 2024. (encyclopedia-of-meteorites.com/meteorite?id=12251); Arizona State University, "Aioun el Atrouss," Buseck Center for Meteorite Studies. (meteorites.asu.edu/meteorites/aioun-el-astrouss); Arizona State University, "Ibitira," Buseck Center for Meteorite Studies. (meteorites. asu.edu/meteorites/ibitira)
  9. Fotografiert an der International Planetarium Society Conference, 21.07.2024.
  10. Fotografiert im NMBE, 12.06.2024
  11. University of Minnesota, "Minnesota Geological Survey - Meteorites," College of Science and Engineering, Juli 2020.
  12. Adapted from "Different Asteroid & Meteorite Types" (mnh.si.edu/earth/text/5_1_4_0.html) und "Asteroid and Meteorite Types" (ar.inspiredpencil.com/pictures-2023/asteroid-belt-and-meteorites)
  13. Aus Atlas of Meteorites.
  14. (Header) Artist's Impression of Protoplanetary Disc, ESO/L. Calçada, 30.11.2023. (esa.int/ESA_Multimedia/Images/2023/11/Artist_s_impression_of_protoplanetary_disc)

Quellen
 

  • ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), S. Andrews et al.; NRAO/AUI, NSF, S. Dagnello, "Scharf, schärfer, DSHARP...," 28.01.2019. (eso.org/public/switzerland-de/images/potw1904a)
  • Arizona State University, "Aioun el Astrouss," Buseck Center for Meteorite Studies. (meteorites.asu.edu/meteorites/aioun-el-astrouss)
  • Arizona State University, "Ibitira," Buseck Center for Meteorite Studies. (meteorites. asu.edu/meteorites/ibitira)
  • B.A. Hofmann, S. Bolliger Schreyer, S. Biswas, et al., "An arrowhead made of meteoritic iron from the late Bronze Age settlement of Mörigen, Switzerland and its possible source," Journal of Archaeological Science, vol. 157, no. 1, 2023, pp. 1-10.
  • E. Kokubo and S. Ida, "Dynamics and accretion of planetesimals," PTEP, vol. 01A308, 2012, pp. 1-23. (DOI: 10.1093/ptep/pts032)
  • G.R. Huss and H.Y. McSween Jr., Cosmochemistry, Cambridge: Cambridge University Press, 2021.
  • M.M. Grady, G. Pratesia and V. Moggi Cecchi, Atlas of Meteorites, Cambridge: Cambridge University Press, 2014.
  • M. Weibel, S. Graeser, W. Oberholzer et al., "Meteoriten," in Die Mineralien der Schweiz - Ein mineralogischer Führer, Basel, Birkhauser Verlag, 1990, p. 25.
  • NASA, "Vesta," NASA. (science.nasa.gov/solar-system/asteroids/4-vesta)
  • S. Vasilev, "Kapoeta (Howardite)," Encyclopedia of Meteorites, 2024. (encyclopedia-of-meteorites.com/meteorite?id=12251)
  • University of Minnesotra, "Minnesota Geological Survey - Meteorites," College of Science and Engineering, Juli 2020. (cse.umn.edu/mgs/meteorites)

Themenbereiche: