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Ein Leben für die Astronomie: Wilhelmine Burgat und die Sternwarte Uecht

Mit grosser Trauer hat das Team des Space Eye vom Tod von Wilhelmine Burgat erfahren, der Leiterin der heute historischen Sternwarte Uecht, der langjährigsten «Uechtlerin» und einer inspirierenden Astronomin und Kollegin. Am 24. Oktober 2024 ist sie in ihrem 91. Lebensjahr von uns gegangen. Wer das Glück hatte, gemeinsam mit ihr an der Renovation der historischen Sternwarte Uecht zu arbeiten, erinnert sich mit grosser Dankbarkeit an diese wertvolle Zeit.

Wie es ihre Familie in der Todesanzeige ausdrückte, ist Frau Burgat nun in die Richtung der Galaxie «NGC 4414» entschwunden, in der sie am 22. April 1974 eine Supernova entdeckt hat.

Wilhelmine Burgat wurde als erstes von vier Kindern geboren und wuchs zweisprachig auf. Ihre Mutter stammte aus Luzern, und ihr Vater arbeitete als Elektriker in Neuchâtel.

Schon in der Schule zeigte sich ihre starke Vorliebe für Mathematik und technische Fächer, die sie später mit grossem Engagement vertiefte.

Nach ihrer Schulzeit studierte sie Physik an der Universität Neuchâtel und schloss mit dem Titel lic. phys. ab, der dem heutigen Master in Physik entspricht.

Um 1962 führte sie ein Forschungsaufenthalt zum United States Naval Observatory (USNO) in Washington D.C., wo sie sich mit der Zeitmessung befasste. Damals wie heute ist das USNO die führende Einrichtung für astronomische Daten und Zeiterfassung des Landes. Eine prägende Zeit in Wilhelmine Burgats wissenschaftlicher Laufbahn.

1. Das Siegel des U.S. Naval Observatory mit Urania, der Muse der Astronomie.

2. Das Georgetown Heights Hauptquartier des U.S. Naval Observatory in Washington D.C., fertiggestellt 1893.

Seit 1973 arbeitete Wilhelmine Burgat auf der Uecht und entdeckte bereits ein Jahr später, 1974, von dort aus die oben erwähnte Supernova in der Galaxie «NGC 4414» (siehe Abbildung 3). Diese Entdeckung erlangte weltweit Bedeutung und war ein wesentliches Puzzleteil bei der Ausarbeitung der heutigen kosmischen Distanzskala.

Diese Entdeckung war nur der Beginn ihres gut dreissigjährigen Engagements auf und für die Sternwarte Uecht. Auch als das Observatorium nach dem Tod seines Gründers - Willy Schaerer - längerfristig nicht mehr für wissenschaftliche Beobachtungen der Universität Bern genutzt wurde, blieb sie dem Standort als Leiterin treu.

3. Auszug aus dem Beobachtungs-Logbuch aus dem Jahr 1974. Die Seiten davor und danach sind in derselben Handschrift verfasst und mit «W. Burgat» signiert.

Zeitweise hatte sie sogar ein Zimmer in der Gemeinde Niedermuhlern angemietet. Von dort aus wanderte sie die teilweise recht steilen gut 1.9 km jeden Tag zur Sternwarte hoch. Sie leistete ihre Arbeit «besonders intensiv und gewissenhaft.»

Dieses Gesamtbild erinnert stark an die unermüdlichen, jedoch erst retrospektiv anerkannten Arbeiten von beispielsweise Henrietta Swan Leavitt und den weiteren Frauen am Harvard College Observatory (siehe dazu unseren Blog Post vom August 2024).

Dass die Frage, ob Frauen sich in den Wissenschaften, insbesondere in der Astrophysik, engagieren sollten, Frau Burgat beschäftigte, zeigt beispielsweise ein Artikel in der Orion-Zeitschrift von 1973. Diesen endet sie mit den Worten:

«Die Astronominnen unserer Zeit sind zahlreicher als je zuvor und in fast allen Bereichen der Astronoie vertreten. Ob es sich um Kometen, Veränderliche [Sterne], theoretische Astrophysik, junge Sterntypen, Satellitenastronomie, Novae oder Sonnenphysik handelt - es ist nie schwer, eine Spezialistin zu nennen.

Astronominnen bilden einen wichtigen Teil der Internationalen Astronomischen Union (IAU). Wie ihre männlichen Kollegen sind sie Mitglieder der Kommissionen gemäss ihren Fähigkeiten und Interessen. Das scheint mir richtig. Wir brauchen sicherlich alle Kräfte, um das Universum zu erforschen.»

Noch heute sind die Worte der damals 39-Jährigen sehr inspirierend. In jenem Jahrzehnt war sie neben ihrer Funktion als Leiterin der Sternwarte auf der Uecht ebenfalls als Assistentin an der Universität Bern tätig. Aufgrund von Gesprächen mit Zeitgenossen ist anzunehmen, dass sie eine verhinderte Doktorandin war.

Dies ist kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass selbst die gut 20 Jahre nach Wilhelmine Burgat geborene, heute emeritierte Professorin Kathrin Altwegg, sich während ihres Studiums noch Kommentare wie «sie soll doch besser in der EPA Strümpfe verkaufen» anhören musste.

Mit der Überführung der privaten Sternwarte Uecht in eine Stiftung stellte Willy Schaerer frühzeitig die Weichen für einen Schwerpunkt im Outreach Bereich - ein Feld, das damals, wie auch heute teils noch, als weniger prestigeträchtig galt. Manch eine*r sah hierin vielleicht sogar eine Rückstufung, doch Wilhelmine Burgat verstand es, auch diese Herausforderung in eine Erfolgsgeschichte zu verwandeln.

4. Wilhelmine Burgat im ausgebauten Spiegel des Schaerer Teleskops.

Mit ihrer Leidenschaft und Hartnäckigkeit baute sie den Outreach der Sternwarte konsequent aus und erreichte damit eine immer grössere Zahl von Menschen, denen sie die Faszination des Nachthimmels nahebrachte. Insbesondere ab 1988 ermöglichte der Anschluss der Sternwarte an das Wassernetz und die Installation einer Nasszelle erstmals die Nutzung durch Besuchergruppen.

Anfangs besuchten vor allem Teilnehmer*innen von Volkshochschulkursen die Sternwarte. 1993 jedoch begann eine komplett neue Ära: Auf Initiative zweier Astronomiestudenten startete eine umfassende Renovation der Sternwarte, bei der sowohl das Gebäude als auch das Instrumentarium vollständig restauriert wurden.

5. Die (historische) Sternwarte Uecht 1971 inklusive zweier Radioteleskope zur Sonnenbeobachtung (Radio- & Polarimeter in einem!).

6. Die (historische) Sternwarte Uecht 1980, nach erfolgtem Anbau der Werkstatt (1976).

Wilhelmine Burgat plante und leitete diese Arbeiten und setzte sie gemeinsam mit ihrem Team von «Uechtlern» erfolgreich um. Die Arbeiten dauerten bis 2001 und führten das Observatorium in das Jubiläumsjahr - dem 50. Jahrestag des Standorts.

An diesem Punkt warf Frau Burgat, wie es ihrer genauen und wissenschaftlichen Arbeitsweise entsprach, einen Blick zurück auf die bisherigen Besucherzahlen. Sie analysierte deren Entwicklung nicht nur statistisch, sondern konnte die Besucheranstiege stets mit faszinierenden Himmelsphänomenen erklären.

7. Die Abschiedszeremonie von Wilhelmine Burgat.

Auf dem mittleren Bild übergibt ihr der Präsident des Stiftungsrates und Willy Schaerers Schwiegersohn Hans Ulrich Neuenschwander eine Urkunde. Auf dem Bild rechts, ist Professor Paul Wild, der vormalige Leiter des Observatoriums Zimmerwald, zu sehen.

Wilhelmine Burgat hat mit ihrer Leidenschaft und ihrem Engagement für die Sternwarte Uecht Spuren hinterlassen, die weit über die astronomische Gemeinschaft hinausreichen. Ihr Leben und Wirken haben vielen Menschen die Welt der Sterne eröffnet und ihre Begeisterung für den Kosmos weitergegeben.

Von ihrer Hingabe und ihrem unermüdlichen Einsatz, der viele Menschen dazu bewegt hat, die Astronomie als Hobby zu entdecken, profitiert bis heute das Space Eye Observatorium, das die Nachfolge der historischen Sternwarte angetreten hat. Es ist ein grosses Glück, dass auch heute noch einige der ursprünglichen «Uechtler» beim Projekt «Beobachtungsstandort Uecht» mit dabei sind und alle von ihrem grossen Erfahrungsschatz profitieren können.

An dieser Stelle möchten wir einigen Personen danken, ohne die dieser Artikel in seiner vorliegenden Fassung gar nicht, oder nur teilweise möglich gewesen wäre.

Ein besonderer Dank gilt Kurt Niklaus (Liebefeld, Bern), einem langjährigen «Uechtler», der u.a. mit seinen Recherchen zu den frühen Jahren von Wilhelmine Burgat dazu beigetragen hat, ihre Geschichte lebendig zu halten und ein Licht auf ihren Weg zu werfen. Er hat sich dazu mit Ariane Burgat (Colombier, Neuchâtel) in Verbindung gesetzt, welcher ebenfalls unser wärmster Dank gilt, da die Uecht-Community ohne sie gar nicht erst vom Tod von Wilhelmine Burgat erfahren hätte.

Ebenso danken wir Stefan Wöhrle, einem weiteren «Uechtler», der für uns die Archive durchforstet und dem es gelungen ist, den originalen Logbuch-Eintrag von 1974 zu Tage zu fördern.

Zu guter Letzt möchten wir uns gerne bei Leutnant Billy Petkovski (USNO) bedanken, der den Kontakt zu Kimberly Rupley (ebenfalls USNO) hergestellt hat, die für uns die Eckdaten von Wilhelmine Burgats Forschungsaufenthalt am USNO im umfassenden Archiv des USNO herausfinden konnte.

Frau Burgats Geschichte bleibt somit ein wertvoller Teil des Vermächtnisses, das sie hinterlässt und das uns allen für viele weitere Jahre als Inspiration dienen wird.

Bilder
 

  1. USNO Logo via United States Naval Observatory, "Welcome to the United States Naval Observatory's Official Web Page," 2024. (cnmoc.usff.navy.mil/usno)
  2. USNO Gebäude via United States Naval Observatory, "Welcome to the United States Naval Observatory's Official Web Page," 2024. (cnmoc.usff.navy.mil/usno)
  3. Auszug aus dem Beobachtungs-Logbuch der Sternwarte Uecht.
  4. W. Burgat, 50 Jahre Sternwarte auf der Uecht - Eine Chronik 1951 - 2001, Bulle, Imprimerie de Sud SA, 2001.
  5. Bild dankend erhalten von C. Mätzler, thumbnail_1971 Radio- & Polarimeter Uecht2. Universität Bern, 1971.
  6. Sternwarte Uecht, 1980.
  7. Bilder zur Verfügung gestellt durch K. Niklaus, Die Abschiedszeremonie von Wilhelmine Burgat.

Quellen
 

  • M. Comtesse, "«Ich hätte ihn ohrfeigen können»," BZ Berner Zeitung, 11. Juni 2021.
  • P. Wild, "EINLEITUNG," in 50 Jahre Sternwarte auf der Uecht - Eine Chronik 1951 - 2001, Bulle, Imprimerie de Sud SA, 2001, pp. 5-7.
  • W. Burgat, "Femme et astronome de Caroline Herschel à nos jours," ORION - Zeitschrift der Schweizerischen Astronomischen Gesellschaft / Bulletin de la Société Astronomique de Suisse, Oktober 1973, pp. 137-168.
  • W. Burgat, "La courbe de lumière d'une comète," ORION - Zeitschrift der Schweizerischen Astronomischen Gesellschaft / Bulletin de la Société Astronomique de Suisse, 1977, pp. 8-11.
  • W. Burgat, P. Wild, E. Heiser und K. Locher, "In der Schweiz entdeckte Supernova in NGC 4414," ORION - Zeitschrift der Schweizerischen Astronomischen Gesellschaft / Bulletin de la Société Astronomique de Suisse, 1974, pp. 163-164.

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